3. 11. 2010

Die reguläre Berechnung des nachehelichen Unterhalts basiert auf der Vermutung, dass Eheleute ihr gesamtes Einkommen auf den gemeinsamen Lebensunterhalt verwenden. Die Münchner Familienrechtsexperten der Kanzlei Dittenheber & Werner berichten über die, teils abweichende, Unterhaltsbestimmung im Bereich höherer Einkommen.

Gemäß § 1578 I BGB ist die Unterhaltshöhe nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bemessen. Die gesetzeskonforme Bestimmung dieses Betrages wird in der Regel anhand eines Quotenverfahrens aus der Düsseldorfer Tabelle vorgenommen. Hierzu wird das höhere Einkommen des einen Ehegatten zunächst um einen Erwerbsbonus bereinigt. Aus dem bereinigten Einkommen wird daraufhin mittels Halbteilung der Unterhaltsbetrag ermittelt.

Verfügen Ehegatten über ein hohes Einkommen, überschreiten ihre verfügbaren Finanzmittel häufig den für die volle Deckung ihres Lebensunterhaltes notwendigen Betrag und fließen teilweise in Investitionsgüter. Macht der Unterhalt begehrende Ehegatte unter diesen Umständen einen Bedarf geltend, der über den, durch § 1578 I BGB festgelegten, Maßstab des Lebensbedarfes hinausgeht, verlangt die Rechtsprechung eine individuelle, konkrete Begründung dieses Anliegens.

Der Billigkeitsabwägung des § 1578 b BGB kommt im Bereich der hohen Einkommen eine erhebliche Bedeutung zu. Von besonderer Relevanz sind die Dauer der Ehe und aus ihr hervorgegangene wirtschaftliche Abhängigkeiten aufgrund der Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit durch den Unterhaltbegehrenden.

In diesem Zusammenhang ist ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes vom 11. August 2010 (BGH XII ZR 102/09) bedeutsam, das sich mit der Zulässigkeit einer im Rahmen der Billigkeitserwägung vom OLG Hamm getroffenen Unterhaltsbestimmung befasst.

Die streitenden Parteien hatten im April 1977 geheiratet und bis zur rechtskräftigen Scheidung im Juni 2007 eine gemeinsame Ehe geführt. Seit 1993 waren sie nicht mehr erwerbstätig und lebten von den Vermögenseinkünften des klagenden Ehegatten. Diese lagen deutlich über dem, für ein Quotenverfahren maßgeblichen, Spitzeneinkommen der Düsseldorfer Tabelle von derzeit 5.100 Euro pro Monat.

Das OLG Hamm sprach der ehemaligen Ehefrau aufgrund einer Billigkeitserwägung nach § 1578 b BGB bis zum Jahr 2014 einen monatlichen Unterhaltsbedarf in Höhe von 3195 € zu, auf die ihre Einkünfte aus der Vollzeittätigkeit als Sachbearbeiterin anzurechnen seien. Inhalt dieses Anspruchs waren unter anderem die Haltungskosten eines Reitpferdes sowie der damit verbundene finanzielle Aufwand für Tierarzt und Hufschmied.

Sowohl die Höhe des Unterhalts als auch die Berücksichtigung des Reitens im Rahmen des gesetzlichen Unterhaltsbedarfs wurden vom BGH als gesetzeskonform bestätigt. Durch die mit der Ehe verbundene Aufgabe der Erwerbstätigkeit der Ehegattin seien ihr zudem fortdauernde ehebedingte Nachteile entstanden, aus denen sich ab 2014 ein unbefristeter, angemessener Lebensbedarf von monatlich 2.200 € ergeben würde. Er bestimme sich aus einer individuellen Billigkeitserwägung gemäß § 1578 b BGB.

In seinem Urteil gelangt der BGH zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall insbesondere die 30-jährige Ehedauer, die Erziehung zweier Kinder sowie die ausgesprochen guten Vermögensverhältnisse des Ehegatten im Rahmen der angemessenen Unterhaltsgestaltung zu beachten seien.

Zudem sei das Vertrauen der Ehegattin in die Lebenspläne zu berücksichtigen, die von den Eheleuten über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten gemeinsam verfolgt wurden und aufgrund derer sie keine eigene Altersvorsorge getroffen habe.

Das aktuelle Urteil des BGH zeigt:

Der Unterhaltsumfang kann bei Vorliegen eines großen Vermögens durch eine Billigkeitsabwägung gemäß § 1578 b BGB von den ehelichen Lebensverhältnissen dahingehend beeinflusst werden, dass der angemessene Lebensbedarf über die objektiv zur Lebensführung unbedingt notwendigen Mittel hinausgeht.

 

Die Billigkeitserwägung des § 1578 b BGB soll den Unterhaltsempfänger für eine Übergangsfrist vor erheblichen Einschränkungen seiner bisherigen Lebensführung bewahren, sofern der Unterhaltsverpflichtete über ein entsprechendes Vermögen verfügt. Umgekehrt schützt sie den nicht vermögenden Unterhaltspflichtigen vor unzumutbar hohen Zahlungen.

Dem Vertrauen auf die gemeinsame Lebensplanung  kommt bei einer langen Ehezeit große Bedeutung zu. Aus diesem Grund kann die ehebedingte Aufgabe der Erwerbstätigkeit und Altersvorsorge einer Befristung des Unterhaltsanspruchs entgegenstehen.

Sofern große Vermögenswerte in der Ehescheidung Bedeutung erlangen, sollten sowohl unterhaltspflichtige als auch unterhaltsbegehrende Ehegatten einen erfahrenen Familienrechtsexperten mit der Durchsetzung ihrer Interessen beauftragen.

Für weiterführende Informationen, professionelle Rechtsberatung und -vertretung steht die Münchener Kanzlei Dittenheber & Werner jederzeit gerne zur Verfügung.

Pressekontakt

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