18. 10. 2010

Ein alltäglicher Fall aus meiner beruflichen Praxis: Ein Mandant hat seine Steuererklärung abgegeben und das Finanzamt sendet ihm den Steuerbescheid zu. Bereits beim ersten Blick auf den Bescheid macht sich Empörung breit, denn es ist nicht zur erwünschten Steuererstattung gekommen. Im Folgenden erkläre ich, welche Ursachen dieser bösen Überraschung zugrunde liegen können und wie dagegen vorzugehen ist.

Der fragliche Sachverhalt wiederholt sich allein in meiner Steuerkanzlei jedes Jahr diverse Male. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass ca. 35-40% der jährlich erteilten Steuerbescheide falsch sind, und zwar in 90 % aller Fälle zu Lasten der Steuerpflichtigen!

 

Die möglichen Gründe einer Abweichung des Steuerbescheids von den Erwartungen sind vielfältig und müssen genau untersucht werden, damit die richtigen Gegenmaßnahmen ergriffen werden können.

In der Regel basiert der unerwartete Steuerbescheid auf einer der folgenden Ursachen

  1. Das Finanzamt vertritt eine andere Rechtsauffassung zu einem bestimmten Sachverhalt.
  2. Es liegt ein Erfassungsfehler vor. Einige Punkte der Steuererklärung wurden nicht oder fehlerhaft berücksichtigt.
  3. Durch neuere Urteile des Bundesfinanzhofes (Deutschlands höchstes Steuergericht), des Bundesverfassungsgerichtes oder des Europäischen Gerichtshofes muss der Sachverhalt steuerlich anders beurteilt werden.

Vertritt das Finanzamt eine andere Rechtsauffassung, so stellt sich die Frage: warum? Sind nicht alle Belege vorhanden? Ist die Sachverhaltsdarstellung unvollständig? Kann das Finanzamt den Sachverhalt nicht oder nicht richtig nachvollziehen?

Als Gegenmaßnahme hilft in diesen Fällen allein der begründete Einspruch. Er muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Steuerbescheides in Schriftform beim Finanzamt eingehen und ausführlich begründet werden. Mit dem Einspruch wird das Ziel verfolgt, dem Finanzamt seine Fehler deutlich zu machen, die Abweichung seiner Beurteilung von der korrekten Rechtsauslegung zu erläutern und die richtige Auffassung durch Hinweise auf die gesetzlichen Bestimmungen, die Verwaltungsanweisungen und die Urteile der Steuergerichte zu belegen.

Die Wirksamkeit des Einspruchs gegen einen Steuerbescheid ist an bestimmte Formen und Fristen gebunden. Es ist sinnvoll, sich bei diesem Streitfall von einem Experten vertreten zu lassen, denn nur so kann der Steuerpflichtige dem Finanzamt mit gleichen Waffen gegenübertreten.

Ist die Abweichung des Steuerbescheides in einem Erfassungsfehler des Finanzamtes begründet, ist die intensive Prüfung des Steuerbescheides notwendig. Derartige Fehler sind teilweise nur schwer festzustellen und werden von einem "normalen" Steuerpflichtigen sehr häufig übersehen. Ist der Erfassungsfehler entdeckt worden, muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Steuerbescheides ein Einspruch erfolgen. In ihm wird der Erfassungsfehler für das Finanzamt dokumentiert.

Handelt es sich tatsächlich um einen reinen Übertragungs- oder Erfassungsfehler, wird er im Regelfall schnell und unbürokratisch behoben und ein berichtigter Steuerbescheid ergeht.

Beruft sich das Finanzamt auf eine geänderte Rechtsprechung, muss geprüft werden, inwieweit die Änderung tatsächlich eine Auswirkung auf den eigenen Sachverhalt hat und ob gegebenenfalls neue steuerliche Gestaltungen für die Zukunft notwendig sind.

Im Interesse meiner Mandanten erfordern insbesondere die ersten beiden Ursachen abweichender Steuerbescheide ein schnelles Handeln. Normalerweise sind Steuerbescheide nach einem Monat bestandskräftig, d.h., nach Ablauf der Frist können auch die offensichtlichsten, an Unsinn grenzenden, Fehler in einem Steuerbescheid grundsätzlich nicht mehr geändert werden.

 

Eine Ausnahme von der Monatsfrist gibt es bei Steuerbescheiden, die nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (der gesamte Steuerbescheid kann bis zum Einsetzen der Verjährung geändert werden) oder die nach § 165 AO vorläufig (der Steuerbescheid kann nur bezüglich der im Erläuterungsteil des Steuerbescheides aufgeführten Punkte geändert werden) erteilt werden. 

Zum Schluss noch eine erfreuliche Meldung: Über 2/3 aller Einsprüche und Klagen werden zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden.

Streiten lohnt sich also - es muss nur der richtige Weg beschritten werden.

Günter Zielinski 

Pressekontakt

Günter Zielinski - Steuerberater

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